Sütterlin-Schrift
Die Sütterlin-Schrift ist benannt nach dem Berliner Graphiker Ludwig Sütterlin (1865 – 1917). Er hatte – als Folge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert – im Jahre 1911 vom Land Preußen den Auftrag erhalten, für die seit fast 500 Jahren nebeneinander bestehende lateinische und deutsche Schreibschrift einheitliche Regeln und Schreibweisen zu entwickeln. (Heute wird als „Sütterlinschrift” jedoch nur die von Sütterlin normierte deutsche Schrift benannt). Im Jahre 1915 wurden beide Schriftarten – auf der Grundlage der Sütterlinschen Arbeit – offiziell an den preußischen Grund- und Volksschulen eingeführt und nebeneinander gelehrt. Die anderen Länder des Reiches folgten zögernd.
Beide Schriften hatten unterschiedliche Anwendungsbereiche.
Deutsche Schrift: Schriftverkehr der Bürger untereinander (handschriftlich), deutschsprachige Bücher und Zeitungen (gedruckt in Fraktur).
Lateinische Schrift: Wissenschaft und Wirtschaft , fremdsprachliche Korrespondenz und Literatur.
Die Gleichrangigkeit beider Schriften endete in der NS-Zeit.
- 9. Mai 1933: Reichsinnenminister Dr. Frick verfügt
den unbedingten Vorrang
der Deutschen Schrift. - 7. September 1934: Durch Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wird die Deutsche Schrift verbindlich.
- 3. Januar 1941: Durch Erlass des Parteisekretärs Martin Bormann im Auftrag Hitlers wird die deutsche Druckschrift wieder abgeschafft – begründet mit der Judenpolitik der NS-Zeit. Ab diesem Zeitpunkt wurden alle Zeitungen und Bücher in Lateinschrift gedruckt.
- 1. September 1941: Durch Runderlass des Reichministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wird die bis dahin noch gebräuchliche Deutsche Schreibschrift durch die so genannte Normalschrift ersetzt. In den Schulen wurde nunmehr wieder die Lateinschrift gelehrt und angewendet.
Hitlers Entscheidung griff auch tief in das deutsche Alltagsleben ein. Die Kinder lernten nicht mehr die Deutsche Schrift und konnten somit die Briefe der Eltern nicht mehr oder nur noch schwer lesen. Umgekehrtes galt für die Eltern bezüglich der Briefe der Kinder. Das galt nicht nur in der Kriegszeit, sondern auch heute noch, obwohl die alten Menschen, die noch die deutsche Schrift benutzen, langsam aussterben. Hitlers Entscheidung war in Wirklichkeit eine Art Kulturrevolution. Sie führte dazu, dass die heutigen Generationen kaum noch handschriftliche Dokumente in deutscher Schrift (und damit aus fast 500 Jahren!) lesen können.
Kurrentschrift
Über Jahrhunderte war die Kurrent (abgeleitet von currere, lateinisch für laufen) die allgemeine Verkehrsschrift im deutschen und nordeuropäischen Sprachraum.
Sie wird auch deutsche Schreibschrift oder deutsche Schrift genannt.
Man schrieb sie mit einem Federkiel, dann später mit einer Stahlfeder, dadurch können sich unterschiedliche Strichstärken ergeben. Ziel war eine möglichst flüssige Schrift, die die Buchstaben des Wortes eng verband. Auch typisch war eine mehr oder weniger ausgeprägte Schräge der Buchstaben nach rechts.
Hier als Beispiel ein Gedicht von Wilhelm Busch, von ihm selbst geschrieben:

Durch den Bormann-Erlaß (siehe oben) wurde die Kurrentschrift nicht mehr an den Schulen gelehrt, sondern nur noch die lateinische Normalschrift.
Auch für offizielle Dokumente wurde nur noch die lateinische Schrift verwendet.
Das bedeutete aber nicht, daß im privaten Bereich auch sofort eine Umstellung passierte, die meisten behielten ihre deutsche Handschrift bei.
So übertragen wir oft Briefe aus den 1950er Jahren, die noch in deutscher Schrift verfasst wurden.
In späterer Zeit haben manche in ihrer Handschrift eine Mischung aus deutschen und lateinischen Buchstaben verwendet, z.B. der Bogen über dem u wurde von vielen weiterverwendet.
Für alle Neugierigen hier der Text des Gedichts oben:
Schein und Sein
Mein Kind, es sind allhier die Dinge,
Gleichviel ob große, ob geringe,
Im Wesentlichen so verpackt,
Daß man sie nicht wie Nüsse knackt.
Wie wolltest Du Dich unterwinden,
Kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von außenwärts.
Du siehst die Weste, nicht das Herz.
Eine Besonderheit: die s-Regeln
